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Friday, January 12, 2018

"Exit": Theodor Fontane's "Ausgang" (English translation by Rolf-Peter Wille)


                   Exit

                            
                      Theodor Fontane (1895)

Ever tighter, gently, gently,
Draw the rings of life intently,
Dwindles down that strident strut,
Dwindles hoping, loving, hating,
And is nothing left but waiting
For the final swarthy dot.

                            tr. by Rolf-Peter Wille


Ausgang von Fontane (Analyse)

Ausgang von Fontane (Analyse)



Ausgang

Immer enger, leise, leise
Ziehen sich die Lebenskreise,
Schwindet hin, was prahlt und prunkt,
Schwindet Hoffen, Hassen, Lieben,
Und ist nichts in Sicht geblieben
Als der letzte dunkle Punkt.


Was gibt's hier eigentlich noch zu interpretieren, zu analysieren?” Die Aussage des kleinen Gedichts ist eindeutig: Das Leben endet allmählich, Lebensraum und Aktivitäten werden eingeschränkt, von allem gilt es Abschied zu nehmen und zum Schluss bleibt nur noch der Tod. Okay – nächstes Gedicht!

Doch einen Moment noch – ein kleiner Punkt noch: Was ist es denn, das uns berūhrt an diesen sechs Versen? Die Erkenntnis, dass man sich gegen Ende des Lebens einschränken muss und schließlich stirbt, sicher nicht. Berūhrt uns Fontanes Wortwahl? Seine originellen Metaphern? Die “Lebenskreise”, der “dunkle Punkt”? Nun, ich finde hier nichts Ungewöhnliches. Die Wortwahl ist ebenso banal wie der prosaische “Inhalt”.

Doch lasst uns zunächst die Verse in alltägliche Prosa verwandeln:

Die Lebenskreise ziehen sich leise immer enger.
Das, was prahlt und prunkt, verschwindet.
Hoffen, Hassen und Lieben verschwinden
und nur der letzte dunkle Punkt ist in Sicht geblieben.

Wenn wir nun diese Prosasätze mit Fontanes Versen vergleichen, so erscheinen seine Ausdrucksmittel sowohl subtil als auch wirkungsvoll. Bei ihm sind die vier Aussagen zu einem einzigen Satz zusammengezogen – zum Schluss hin enger – und der einzige Punkt steht am Ende.

Doch zunächst der Anfang:

Immer enger, leise, leise
Ziehen sich die Lebenskreise,”

Die “gewöhnliche” Wortfolge ist verdreht hier, das Subjekt steht am Ende. Hört man das Gedicht, ohne es bereits zu kennen, so weiß man zunächst nicht, worauf sich das “immer enger, leise, leise” bezieht. Erscheint ein Monster, ein Gespenst, oder ist es die Schlinge des Stricks, die sich immer enger zusammenzieht? Man möchte es flüstern und die "Z" und "H"-Laute in "Ziehen sich die Lebenskreise" verleihen der Sprache etwas geheimnisvoll Verschwörerisches. "Schwindet hin": Hier sind es eher die verhauchenden "H"-Laute, die uns etwas schwindsüchtig anmuten (anmuthen?). Auch kein Satzbeginn ist das. Was schwindet eigentlich hin? "Was prahlt und prunkt", beides sehr lange Silben, sich verdunkelnd in den Vokalen und mit sehr prahlerisch rollenden "Pr"-Lauten. Hier sollte nun, nach dieser Verbreiterung, das Satzende folgen, doch wieder gibt's nur ein Komma. Kadenzen hat Fontane vermieden, denn es zielt ja alles auf den Punkt. Aber nicht in stetigem Tempo! Fühlst Du nicht, die Verlangsamung ("sostenuto") auf "prahlt und prunkt" und wie es dann langsam nocheinmal sich erhebt vom wiederholten "Schwindet" aus? Dann aber staut sich die Energie im Stretto " Hoffen, Hassen, Lieben" weitere H-Laute, doch nach vorn ziehend, und genau diese gewonnene Todeskraft ist es, die uns " Und ist nichts in Sicht geblieben" mit fatalistischen Akzenten deklamieren lässt, bis wir auf den letzten dunklen U-Lauten des "Als der letzte dunkle Punkt" resigniert ritardieren. Tatsächlich könnten der "I"-Klang der vorletzten mit dem "U"-Klang der letzten kaum stärker kontrastieren. Auch würde man scheitern, wenn man "der letzte dunkle Punkt" recht gleitend gleichmäßig und im "Legato" vortragen wollte. Durch die vielen Konsonanten, "tzt", "kl", "kt", müssen wir die Worte voneinander absetzen und mit schwarzen Pausen in einen wachsenden Zeitraum malen.


Und nach dem Punkt schweigt Ewigkeit.